Steffen Seibert - der etwas andere Regierungssprecher


Steffen Seibert ist einer, der eine steile Lernkurve zu schätzen weiß. Er will die an ihn gestellten Aufgaben exzellent meistern. Im schlechteren Fall bleibt das immer etwas schülerhaft, im besten hält es jung.

Im November 2015 warf man ihm den Auftritt der Bundesregierung in den sozialen Medien vor, weil Seibert aus dem Bundespresseamt heraus mit acht festen Mitarbeitern und einem Budget von 196 350 Euro mit Facebook-Filmen, Diskussionen und Kommentaren die Sichtweise der Regierung darlegt. Informationen schön und gut, aber Seibert habe da etwas Rundfunkähnliches geschaffen, einen Regierungskanal.

Ist sein Leben nicht eine dauerhafte Prüfung? Hat er sich nicht die Bundespressekonferenz gewählt, eine ewige, dreimal in der Woche wiederkehrende Prüfungssituation, in der jede Frage drankommen kann? Seit mehreren Jahren wird er daran gemessen, wie gut er Fragen beantwortet. Loyalität und Fleiß grenzen an Hingabe.

Es gibt die Figur des dienenden Wissbegierigen auch als Erwachsenen. Da wird aus dem Schüler ein Jünger, manchmal ein Mönch. Einer, der sich als Lernender begreift, lebenslang. Das würde erklären, warum Seibert kein eigenes Machtbewusstsein zeigt, was viele irritiert. Andererseits erklärt es seine ungewöhnliche Mischung aus dienender Demut und der Ausstrahlung, Teil von etwas Höherem zu sein. Außenstehende neigen dazu, den Job als eine Art Gefangenschaft zu interpretieren: mit Merkel Tag und Nacht in einer Zelle. Aber Seibert macht keinen unfreien Eindruck. Mönche haben ihre Beschränkungen schließlich frei gewählt.

Vielleicht passe Seibert auch nur gut in eine rasend schnelle Zeit, in der die Angst, Fehler zu machen, größer ist als die Lust am politischen Spiel. „Die Zeiten haben sich seit Helmut Schmidt geändert. Damals hätten die Fernsehzuschauer manchmal glauben können, sein Regierungssprecher Klaus Bölling sei selbst der Bundeskanzler.

Alle Regierungssprecher haben jedoch das Amt durch ihre Persönlichkeit geprägt – was aber, wenn einer gar keine zeigen will? Vielleicht hat Seibert einmal mehr etwas gelernt. Auch Angela Merkel lebt von den Schwebezuständen, bevor sie sich festlegt. Seibert spiegelt ihr Verständnis, das alles Gesagte als Angriffsfläche dienen kann. Als die Bundeskanzlerin Seibert in den innersten Kreis aufnahm, hat sie die Sphäre des Hermetischen um ihren Sprecher erweitert.

Es ist sonnig und freundlich in dieser Sphäre in Seiberts Büro, das Eigentliche liegt unzitierbar im Licht. So muss es ihm gehen, wenn er mit Merkel unterwegs ist. So schnell kann das gehen. Er hat für einen die exklusive Situation kreiert, in der er selbst immer steckt. Viel sehen, viel begreifen, aber wie berichten?