"Die Straße gehört den Pferden"




"Die Straße gehört den Pferden", schreiben die Meinungsführer in den Zeitungen. Was für heutige (und verspottete) Pioniere ein Trost sein mag, wirft den armen Carl aus der Bahn. So lange hat er gearbeitet - und jetzt ist sein Auto ein Ladenhüter? Während er den Mut verliert, fasst Bertha einen verwegenen Plan. Sie wird beweisen, dass Carls Wagen (das dritte Modell) Langstrecken schafft und damit eine zukunftsträchtige Erfindung ist. Carl darf davon nichts wissen. Nie würde er seine Frau fahren lassen. Auch die Polizei sollte besser nichts mitbekommen - weil die Pferde beim Anblick ihrer benzingetriebenen Konkurrenz scheuen (wohlweislich?), darf der Wagen nur mit spezieller Genehmigung rollen. Das ist Bertha Benz egal. Mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard bricht sie klammheimlich im Morgengrauen auf, um ihre Schwester in Pforzheim zu besuchen. "Sie liebten meinen Wagen, wie ich ihn liebte", erinnert sich der achtzigjährige Carl Benz. "Aber sie verlangten mehr von ihm als ich. Sie wollten wissen, ob mit dem neuen Wagen eine neue Ära für Landfahrer angebrochen sei und in welchem Umfang er zum Landfahren und Landstreichen benützt werden könne. Bergauf und bergab sollte der entführte Wagen zeigen, was er konnte und nicht konnte – auf einer Strecke von 180 Kilometern." Sicher: Problemlos geht das nicht. Mal müssen die Benzens schieben, weil der 1,5 PS-Motor eine Steigung nicht schafft und schon nach wenigen Kilometern ist der Sprit alle. Wie gut, dass eine Apotheke in der Nähe ist. Dort tankt man voll - mit dem Reinigungsmittel Ligroin. Selbst zwei Defekte können Bertha Benz nicht stoppen: "Das eine Mal war die Benzinleitung verstopft - da hat meine Hutnadel geholfen. Das andere Mal war die Zündung entzwei. Das habe ich mit meinem Strumpfband repariert." Schließlich rollen Bertha und Söhne wohlbehalten in Pforzheim ein. Obwohl Carl erstmal ziemlich erbost ist, kann er die Leistung nicht verhehlen: "Sie war wagemutiger als ich und hat eine für die Weiterentwicklung des Motorwagens entscheidende Fahrt unternommen."